Was verbirgt sich hinter dem so kompliziert klingenden Begriff „Behavioral Targeting“? Welche Vorteile bringt es und welche Risiken gehen damit einher? Diesen Fragen bin ich gemeinsam mit meinem Kollegen Moritz Orendt nachgegangen, der sich auf nachhaltiges Onlinemarketing spezialisiert hat.
Was ist Behavioral Targeting?
Behavioral Targeting beschreibt die Ausrichtung von Anzeigen auf das Nutzerverhalten. Diese Form der personalisierten Werbung ist mittlerweile stark verbreitet. Die Anzeigen werden dabei direkt auf den „richtigen“ Kunden zugeschnitten und weniger auf den Kontext. Die Grundlage dafür bilden umfangreiche Nutzerdaten, beispielsweise zu Suchhistorien, besuchten Websites und Interaktionen mit anderen Werbeanzeigen. Moritz hat dazu noch mehr hier geschrieben.
Die Google-Erfolgsgeschichte
Jeder kennt den Internet-Riesen Google sowie auch seine Anzeigen, die sogenannten Google Ads. Obwohl die Gründer sich zunächst klar gegen Anzeigen aussprachen, wurden diese schließlich auch auf Google eingeführt, um die Rentabilität des Unternehmens zu verbessern. Extreme Umsatzsteigerungen konnten jedoch erst nach Einbeziehung der Kundenhistorie in die Ausspielung der Anzeigen erreicht werden. Aufgrund der vielfältigen Google-Dienste wie Google Maps, Google Chrome und Google Mail stehen dem Unternehmen Nutzerdaten in unermesslichem Umfang zur Verfügung, welche nicht zuletzt für die Anzeigen verwendet werden. Ein klarer Fall von Behavioral Targeting.
Behavioral Targeting bei Facebook
Anders als Google, stand bei Facebook das Behavioral Targeting von Beginn an im Fokus. Facebook Ads sind seit ihrer Einführung direkt auf den Nutzer und sein Verhalten ausgerichtet.
Doch sind die von Facebook gesammelten Daten immer richtig? Geben Sie wirklich unser Nutzerverhalten wieder? Wen das interessiert, dem empfehle ich einen Blick in die Einstellungen. Unter dem Punkt „Privatsphäre“ und „Werbeanzeigen“ erhält man einen Einblick in die Daten, die Facebook über einen selbst gesammelt hat und zur Ausspielung der Werbeanzeigen nutzt (Direktlink: https://www.facebook.com/adpreferences/advertisers/?entry_product=account_settings_menu). Nicht immer ist das wirklich passend.
Grundsätzlich ist zu betonen, dass nicht nur Facebook und Google auf Behavioral Targeting zurückgreifen, sondern auch alle anderen sozialen Netzwerke. Doch Facebook und Google sind die größten unter ihnen und sammeln dadurch auch die meisten Daten.
Die Gefahren der Onlineanzeigen
Wo wird meine Anzeige ausgespielt?
Wenn Werbung nur auf das Nutzerverhalten und nicht auf den Kontext ausgerichtet wird, birgt dies auch einige Risiken für den Werbetreibenden. Nicht selten werden die zuvor sorgsam ausgearbeiteten Anzeigen schließlich auf fragwürdigen Seiten ausgespielt, was der Glaubwürdigkeit des Werbetreibenden immensen Schaden zufügen kann. Zahlreiche zwielichtige Netzwerke finanzieren sich auf diesem Wege. Um das zu verhindern, ist eine ganze Branche rund um das Thema „Brand Safety“ entstanden. Eine bekannte Unternehmerin in dem Bereich ist Nandini Jammi. Doch man muss keine Agentur damit beauftragen. Wer selbst aktiv werden möchte, sollte unbedingt die Blockierlisten von Facebook, Google und Co. nutzen.
Problem Anzeigenbetrug
Doch es geht noch weiter. Auch Anzeigenbetrug ist ein nicht zu unterschätzendes Thema. So gab es in der Vergangenheit nicht selten Berichte über verfälschte Statistiken, welche den Erfolg einer Onlinemarketingkampagne durch zahlreiche Käufe oder Downloads nach Klick auf die Anzeige suggerierten. Was nicht immer korrekt war.
Eines der wohl bekanntesten Beispiele dafür ist Uber. Im Jahr 2017 fielen mindestens zwei Drittel des Anzeigenbudgets des Unternehmens für die USA und Kanada dem Anzeigenbetrug zum Opfer. Dabei sprechen wir von einem Betrag in Höhe von ca. 100 Millionen USD.
Deshalb gilt, dass bei jeder Kampagne die Statistiken gründlich geprüft werden sollten, auch in dem Wissen um Messungenauigkeiten.
Online Ethik und Online Moral
Spätestens seit der DSGVO steht die umfassende Analyse des Nutzerverhaltens in der Kritik. Doch auch unabhängig von rechtlichen Grundlagen, sollte man sich fragen, inwiefern Behavioral Targeting moralisch vertretbar ist. In jedem Fall nutzt es den US-amerikanischen Internet-Riesen Facebook und Google und geht zulasten des Schutzes der persönlichen Daten des Einzelnen.
Natürlich lässt sich Tracking aus der heutigen Zeit nicht mehr komplett wegdenken, jedoch sollte der Einsatz überdacht werden. Reicht es beispielsweise nicht, auf „No Pixel Adds“ zurückzugreifen, welche das Tracking auf die Plattform Facebook selbst beschränken?
Jeder sollte selbst darüber nachdenken, inwiefern er persönlich Behavioral Targeting einsetzen möchte und was er moralisch verantworten kann.
Wie geht es in Zukunft weiter?
Datenschutz ist bereits heute ein wichtiges Thema, welches von Politik und Gesellschaft umfangreich erörtert wird. Ich gehe davon aus, dass dies auch zukünftig noch an Bedeutung gewinnen und noch mehr im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen wird.
Den Anfang hat Apple mit dem Betriebssystem iOS14 gemacht. Hier wird Tracking in Apps und im Safari-Browser nur noch nach ausdrücklicher Genehmigung durch den Nutzer ermöglicht. Facebook versuchte vergeblich, dies zu stoppen, was ein offensichtliches Indiz für die Wirksamkeit dieser Änderung ist. Ich bin mir sicher, dass auch andere Betriebssysteme in Zukunft diesen Weg einschlagen und sich für mehr Datenschutz sowie ein nachhaltigeres Onlinemarketing entscheiden werden.
Und vielleicht bedeutet dies in absehbarer Zukunft das Ende des Behavioral Targetings und einen weiteren Schritt in Richtung nachhaltiges Onlinemarketing, womit ich mich in einem meiner letzten Blogbeiträge beschäftigt habe.
Herzlichst,
Sandra & Marianne (die den Artikel geschrieben hat)