Ich saß mit einer Kundin beim Mittagessen. Da schrieb eine Dame, mit dem Konterfei eines Tieres im Facebook-Profil einen Kommentar unter einen Beitrag auf unserer Facebook für Frauen Seite. Das freut mich. Ein kritischer Kommentar mit einer Nachfrage. Die mag ich gerne. Weil sie wichtig sind. Weil sie uns wach halten. Aber dann kam noch einer, der quasi alle für dumm erklärte, die nicht ihrer Meinung waren. Und dann noch einer. Ich entschuldigte mich auf die Toilette um der Dame eine schnelle Antwort zu schreiben.
Wenn Du wissen möchtest, wie ich mit dieser Situation umgegangen bin, lade ich Dich ein, weiterzulesen. Aber ich muss dich warnen: Es wird heute keine schöne Geschichte und auch keine Anleitung. Es ist einfach eine Story aus meinem Social Media Leben und es dreht sich um ein wichtiges Thema: Was nämlich hinter so manchen Kommentaren steckt und wie ich als Social Media Managerin mit sehr negativen Menschen umgehe.
Während draußen die Suppe serviert wurde, erklärte die Dame ausführlich, dass jeder, der ein Smartphone verwenden würde, sowieso dumm sei. Sowas nutze man nicht, wenn man intelligent sei. Ich versuchte ihr in einem Antwortkommentar zu erklären, dass nicht alles immer über einen Kamm zu scheren ist. Es ist ja nur ein Werkzeug. So wie ein Messer, das für Gutes, wie für Böses verwendet werden kann. Bot ihr ein persönliches Gespräch an. Sie schrieb weiter. Kam in Fahrt. Wurde richtig wütend. Fing also an zu trollen, wie wir es nennen. Wer viele Facebook Freunde hätte, hätte in seinem Umfeld keine echten Freunde. Man kann aus ihren Worten – die ich nicht gelöscht habe, sie liegen nun hinter drei Pünktchen verborgen – tief blicken, wie es um sie selbst steht.
So viel Einsamkeit.
In ihren Worten stand so viel Traurigkeit, dass es mich fast um ein Haar mitgenommen hätte. Alle würden sterben, weil die tödliche Strahlung der Smartphones uns Tumore verpassen würden. Sie würde sich sogar darauf freuen, wenn wir Smartphonezombies sterben würden. Krass, dachte ich mir. Aber der biologischen Tatsache des Todes kann niemand entrinnen, nicht einmal der heiligste aller Menschen, der alles richtig macht.
Smartphones machen uns zu transparenten Schafen, meint sie weiter und postete ein Aufklärungsvideo. Gleich im nächsten Kommentar schreibt sie, dass das Video wirr beginnt, aber toll enden würde. Sie schreibt in einem Kommentar wörtlich„ Ihr merkt echt garnichts mehr, ihr seid wie die Eloi im Film Zeitmaschine, jung, gestylt und hohl im Kopf.“ Wir dürften nicht mucken, weil wir alle ferngesteuert werden. Aber wir sollen offenbar nachsehen, was das für ein Film ist.
Mhm, dachte ich mir. Trotzdem kann sie ihre Angst hier ausschütten und wir können alle sehen, wie traurig sie ist. So verzweifelt, dass sie an einem Mittwoch mittag, wo sie vielleicht eine schlechte Nachricht bekommen hat, einfach mal all ihre Energie in 8 Kommentare steckt. Es hätte jeden Beitrag von jeder Seite treffen können. Auch auf Deiner Seite. Sie macht es, damit sie gehört wird. Damit sich jemand mit ihr befasst. Endlich jemand Kontakt mit ihr hat. Es erinnert mich an das Verhalten meiner Großeltern, die manchmal einfach nur stritten, damit sie sich wieder etwas zu sagen hatten. Aber nötig wäre es nicht gewesen.
Smartphonekritik muss sein.
Natürlich sind Smartphones nicht nur toll. Sie werden zur Überwachung eingesetzt und spionieren Daten aus. Dienste, die uns nützlich erscheinen, kopieren unsere Telefonbücher und sammeln alles, ohne, dass wir wissen, was damit passieren wird. Sie lesen unsere E-Mails mit und beeinflussen unsere Kaufentscheidungen so unterschwellig, wir es nicht mehr bemerken können. Smartphonekritik darf und muss sein, finde ich. Ich kritisiere aber nicht das Smartphone. Es ist nur ein unbelebtes Ding. Es tut garnichts. Ich kritisiere viel eher, wie gedankenlos damit umgegangen wird. Wie viele sinnlose Apps installiert und nie genutzt werden. Ich meine: Wie viele App brauchen wir um uns zu verabreden?
Das sind meiner Meinung nach nämlich zwei unterschiedliche Themen, die viele aber nicht auseinander halten können. Die Dame, offenbar auch nicht. Sie verurteilt pauschal und das finde ich nicht gut.
Aber auch wenn ich ihre Kommentare nicht gut finde, so lösche ich sie nicht. Ich lasse sie stehen. Eine offene Community wie unsere hält das aus, denke ich.
Verschwörungen an jeder Ecke.
Der nächste Kommentar der Dame rutscht ins Verschwörerische ab. Ihre Kinder und Enkel seien nicht gefragt worden, ob sie diesen Strahlenangriff wollten.
Strahlenangriff? Alles klar. Es wurde ja auch bei der Dampflokomotive behauptet, Menschen würden solche Geschwindigkeiten nicht aushalten können und verrückt werden. Aber wir wurden auch nicht gefragt, ob wir in dieser Zeit leben wollen. Auch nicht, ob wir solche Kommentare lesen wollen würden. Aber wir tun es. Und wer eine Facebook Unternehmensseite hat, muss sich auch damit beschäftigen, was dort gepostet wird. Es gehört dazu zum Social Media Leben.
Wer sich wie ich, oft und lange mit Menschen unterhalten hat, die sich sehr gut mit den diffizilsten Kleinteilen des Internet auskennen, dem wird schon mal übel. Wenn man erfährt, dass hier heiter Daten und Rechte durch die Gegend gereicht werden können wie ein Salzstreuer. Man muss bloß der Admin mit den richtigen Zugangsdaten sein. Da kann einem Angst und Bange werden. Ich habe schon Menschen gesehen, die mit diesem Wissen am Liebsten in den Wald gezogen wären. Aber dort haben sie sich dann beschwert, dass sie alleine wären und die Handyverbindung so schlecht sei. Das ist also offenbar auch keine Lösung, wenn man weiter am Social Media Leben teilnehmen will.
Reagieren? Ja, aber wie?
Zunächst muss ich sagen, dass ich mich weiterhin bemühen werde, auf alle Kommentare zu reagieren. Es gebietet einfach die Höflichkeit und ich möchte den fleißigen Fans auch gerne Aufmerksamkeit für ihre Mühe zukommen lassen. Daher heißt es ja „social“ – was übrigens nicht sozial, sondern besser mit „gesellschaftlich“ übersetzt werden sollte, wie ich finde.
Als Community Managerin hätte ich der Dame mit dem Tierbild im Profil aber früher die Grenzen aufzeigen sollen. Schon nach dem zweiten aggressiven Kommentar, hätte ich sie aus unserer Community verbannen müssen in dem ich sie blockiere. Ihre Kommentare möchte ich aber nicht löschen, denn ich finde, es ist ein wichtiger Punkt, dass Seiten hier transparent bleiben. Auseinandersetzungen sind nichts Schlimmes. Sie sind für mich ein Zeichen von Problemlösungskompenz.
Aber leider geht das Moderieren am Smartphone immer noch nicht so, wie es am Computer geht. Am Smartphone konnte ich mich nur entscheiden, die Dame zu blockieren und ihre Kommentare zu löschen. Am Computer kann ich die Kommentare bewahren, der Störerin aber die Möglichkeit nehmen weiter zu stören. Es wäre toll, wenn die Seitenmanager-App auch diese Funktion hätte, auf die ich persönlich warte. Schon sehr lang.
Fazit.
Die Dame aus den Kommentaren reagiert mit Wut, Angst und Traurigkeit. Sie versucht aufzuklären und verbraucht sich dabei selbst im Feuer ihrer Emotionen. Sie zeigt mit ihren Kommentaren, wie machtlos und einsam sie sich fühlt.
Ich würde ihr am Liebsten raten, sich umgehend von Facebook abzumelden. Sich einfach mal eine Pause zu nehmen. Denn auf Facebook geraten wir leicht in einen Meinungsstrudel, der uns dann mitreißt. Eine Filterblase, in der alle das gleiche denken und schreiben. Wo Emotionen hochkochen und sich gegenseitig anfachen. Und schon sind wir der festen Überzeugung, dass alle Welt so denken würde. Das ist aber fast nie so. Dann werden Gegner ausgemacht und los geht es.
Als Social Media Manager muss man da einfach cooler und professioneller sein und darf solche Posts nie persönlich nehmen. Auch wenn man manchmal so weit in Verschwörungstheorien, Einsamkeit und Hass blickt.
Ich hoffe, diese Geschichte konnte Dir einen Einblick geben, wie ich mit solchen Ereignissen umgehe. Jetzt interessierte mich, wie Du es machst: Wie gehst Du mit solchen Situationen um? Blockierst Du Störenfriede? Wie gehst Du mit negativen Kommentaren um? Reagierst Du auf jeden Kommentar? Schreib mir gerne einen Kommentar 🙂
Herzlichst,
Sandra
Titelbild: von Руслан Гамзалиев via unsplash.com
Essensbild: Victor Hanacek via picjumbo.com
Macbook Air und iPhone: Alejandro Escamilla via unsplash.com